Warum dein Kind wie ein Superheld in Training ist – Dank des präfrontalen Cortex!
Das Gehirnzentrum für Empathie, Entscheidungskraft und Selbstkontrolle
Hast du dich schon mal gefragt, warum Kinder – und auch Erwachsene – manchmal impulsiv handeln, Entscheidungen aufschieben oder Probleme haben sich zu konzentrieren? Ein großer Teil dieser Prozesse hängt mit einem bestimmten Teil des Gehirns zusammen: dem präfrontalen Cortex (PFC).
Der präfrontale Cortex, oft als „Manager“ des Gehirns bezeichnet, ist für viele komplexe Denk- und Verhaltensprozesse verantwortlich. Dazu gehören unter anderem Planung, Entscheidungsfindung, Impulskontrolle und soziale Interaktionen, wie zum Bsp. Perspektivwechsel. Aber warum ist dieser Bereich so wichtig, besonders in der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen? Und was kannst du als Elternteil, Pädagoge oder Coach tun, um seine Entwicklung zu fördern?
Was ist der präfrontale Cortex genau?
Der präfrontale Cortex befindet sich im vorderen Bereich des Gehirns, direkt hinter der Stirn. Er gehört zum sogenannten Frontallappen, der eine Schlüsselrolle bei vielen unserer höheren kognitiven Funktionen spielt. Das bedeutet, dass wir ihm zum Beispiel unsere Fähigkeit verdanken, zu planen, uns Ziele zu setzen und über die Zukunft nachzudenken.
Interessanterweise entwickelt sich der präfrontale Cortex bis weit in das Erwachsenenalter hinein. Bei Kleinkindern ist dieser Bereich noch sehr unreif. Seine Entwicklung beginnt frühestens mit 5 Jahren, bei sensiblen Kindern, oft erst mit 7. Erst gegen Ende der Pubertät mit Mitte 20 – ist er vollständig ausgereift. Das erklärt, warum selbst Jugendliche noch oft impulsiver handeln oder Schwierigkeiten haben, langfristige Konsequenzen ihrer Entscheidungen zu erkennen. Ebenso fällt es ihnen oft schwer sich in ihr Gegenüber empathisch hineinzuversetzen und eine andere Perspektive als die eigene auf eine Situation einzunehmen.
Welche Funktionen übernimmt der präfrontale Cortex?
- Planung und Organisation: Ohne den präfrontalen Cortex wäre es für uns fast unmöglich, Aufgaben zu planen oder eine klare Reihenfolge für Handlungen festzulegen. Kinder, bei denen dieser Bereich noch nicht vollständig entwickelt ist, haben oft Probleme, eine Aufgabe von Anfang bis Ende durchzuführen. Du kennst das vielleicht aus dem Alltag: Dein Kind beginnt eine Aufgabe, wird abgelenkt und vergisst dann, worum es eigentlich ging. Auch Abläufe im Voraus zu planen und ihr Zeitmanagement an gesetzte Ziele anzupassen, ist zum Großteil noch nicht möglich.
- Impulskontrolle: Dieser Bereich hilft uns auch Impulse zu steuern. Kinder können daher abhängig vom Alter ihre Impulse nicht oder nur wenig kontrollieren. Das führt dazu, dass sie manchmal unüberlegt handeln oder nicht abwarten können. Das ist völlig normal und gehört zur Reifung des Gehirns dazu.
- Fokussierung und Aufmerksamkeit: Der präfrontale Cortex spielt eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit. Ein Kind, das Schwierigkeiten hat sich zu konzentrieren, könnte einfach noch mitten in der Entwicklung dieses Gehirnbereichs stecken. Auch bei Erwachsenen ist dieser Bereich ausschlaggebend, um fokussiert und produktiv zu bleiben.
- Emotionale Regulation: Ein weiterer entscheidender Aspekt des präfrontalen Cortex ist seine Rolle bei der Regulation von Emotionen. Kinder, die frustriert oder wütend sind, können meist nicht sofort auf ihre Emotionen regulieren, weil der präfrontale Cortex noch lernt, diese Gefühle zu managen.
Was bedeutet das für den Alltag?
Die Tatsache, dass sich der präfrontale Cortex so lange entwickelt, hat große Auswirkungen auf die Art und Weise, wie Kinder lernen und sich verhalten.
Für dich als Elternteil, Pädagoge oder Coach ist es wichtig, Geduld zu haben und realistische Erwartungen zu setzen. Kinder brauchen Unterstützung und Anleitung, um diese Fähigkeiten zu entwickeln – und sie werden es nicht von heute auf morgen schaffen.
Hier sind einige Tipps, wie du die Entwicklung des präfrontalen Cortex unterstützen kannst:
- Geduld und Wiederholung: Kinder brauchen Zeit um das Konzept von Planung und Konsequenzen zu verstehen. Je öfter du ihnen hilfst, durchdachte Entscheidungen zu treffen, desto besser wird der präfrontale Cortex lernen, effizient zu arbeiten.
- Förderung von Selbstkontrolle: Spiele oder Aktivitäten, die Geduld und Impulskontrolle erfordern, wie z. B. Brettspiele oder das Erstellen einfacher Tagespläne, können dazu beitragen, diese Fähigkeiten zu stärken.
- Struktur und Routine: Klare Strukturen und regelmäßige Abläufe helfen Kindern sich besser zu organisieren und ihre Umgebung zu verstehen. Das gibt dem präfrontalen Cortex die Möglichkeit, seine Planungs- und Organisationsfähigkeiten zu trainieren.
- Gefühle benennen: Wenn Kinder wütend oder frustriert sind, kann es helfen, ihnen die Namen für ihre Emotionen beizubringen. So können sie lernen, ihre Gefühle zu erkennen und zu regulieren, anstatt sie impulsiv auszuleben. Hier ist der Begriff Co-Regulation besonders wichtig. Der PFC des Kindes kann nur lernen jedem Gefühl in sich Raum zu geben und es aushalten zu können, wenn die erwachsene Bezugsperson dies kann. Reagiert das Nervensystem des Erwachsenen mit einer Abwehrreaktion auf die Emotion des Kindes, wird die Verbindung zum PFC im Erwachsenengehirn gekappt. Das Nervensystem des Kindes wiederum spiegelt dann genau das, sodass der blockierte PFC nicht lernen kann mit diesen Emotionen umzugehen.
Die Bedeutung für Jugendliche
Gerade in der Pubertät wird der
präfrontale Cortex nochmals stark gefordert, weil Jugendliche beginnen, mehr
Verantwortung zu übernehmen und eigenständige Entscheidungen zu treffen. Oft
erleben wir bei Teenagern Phasen, in denen sie risikoreiches Verhalten zeigen
oder sich scheinbar unüberlegt verhalten. Das liegt daran, dass ihr
präfrontaler Cortex noch nicht vollständig entwickelt ist. Sie pendeln jetzt
hier zwischen Abhängigkeit von Co-Regulation von ihren Bezugspersonen und
gleichzeitig dem Wunsch und der Notwendigkeit diese Abhängigkeit aufzulösen. Hier ist es wichtig einen guten Mittelweg aus
klaren Grenzen, liebevollem Begleiten und gleichzeitig Raum für
Selbstständigkeit zu finden.
Zusammenarbeit zwischen Eltern, Lehrern und Begleitpersonen
Es ist sinnvoll, dass Eltern, Pädagogen und weitere Bezugspersonen eng zusammenarbeiten, um die Entwicklung des präfrontalen Cortex bei Kindern und Jugendlichen zu unterstützen. Indem man auf konsistente Weise Verhaltensweisen, Entscheidungsfindung und Impulskontrolle trainiert, gibt man dem Gehirn die nötige Zeit und Übung, diese Fähigkeiten langfristig zu festigen. Grundlage von all dem darf Vertrauen sein, dass sich der PFC des Kindes genau richtig in seinem Tempo entwickelt. Hierbei hilft es am ehesten die eigenen Erwartungshaltungen an das Kind regelmäßig in Hinblick auf die unabgeschlossene Reifung des PFC zu überprüfen.
Zum Nachdenken: